Sich selbst tief in die Augen sehen.
 
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# Ausgabe No.9 2023 #



Der Blick in den Spiegel

 

In meinem Soz.päd.-Studium hatte ich bereits kurz nach dem Start ein Lieblingswort auserkoren. 
Ich flocht es immer wieder bei Diskussionen ein, verwendete es in Vorträgen und widmete ihm sogar eine eigene Hausarbeit:
 
 
Ambiguitätstoleranz.
(gut zum Angeben, aber schlecht für Scrabble - ist zu lang 😉)
 
 
Ambiguitätstoleranz ist die Fähigkeit, mehrdeutige Situationen und widersprüchliche Handlungsweisen zu ertragen.
 
Einerseits gefiel mir das Spiel mit der Mehrdeutigkeit - weil es einen großen Raum zur inneren Auseinandersetzung entfaltete.
 
Andererseits war ich immer wieder beseelt davon, Eindeutigkeit zu erkennen und zu erfahren.
 
 
* * * * *

Wie gelingt eine (situativ) klare Position,
ohne Toleranz und Vielfalt zu opfern?
 
* * * * *
 
 
Jegliche Diskurse in einer Gruppe, einem Team oder einer Organisation sind von Vieldeutigkeit durchzogen. Es gibt unterschiedliche Interessen und Loyalitäten, die manchmal so gegensätzlich sind, dass ein gemeinsames Ergebnis illusorisch erscheint. 
 
 
 
Nächste Woche beginnt die 28. Weltklimakonferenz in Dubai.
 
Sultan Al Jaber ist der Präsident der Konferenz - und gleichzeitig Chef des nationalen Ölkonzerns, der seine ohnehin gewaltige Ölförderung weiter ausbauen will.
 
Noch im Sommer, zu den Vorbereitungstreffen der Konferenz in Bonn, wurde ernsthaft darüber diskutiert, ob es zum Klimagipfel wirklich um Klimaschutz gehen soll.
 
 
 
Da sind auch meine ambiguitätstolerantesten Gehirnzellen höchst irritiert
- die anderen begehen Harakiri.
 
 
* * * * *
 
 
 
Vor ein paar Wochen erhielt Mojib Latif den Bundesverdienstorden.
Er ist Klimaforscher am Institut für Meeresforschung in Kiel, war einer der ersten Wissenschaftler, der vor dem Klimawandel gewarnt hat, und erhält immer wieder Drohungen wegen seiner Forschungsarbeit.
 
 
In einem Interview antwortete er auf die Frage, was ihn motiviert,
trotzdem immer weiterzumachen, folgendes:
 
"Auf der einen Seite ist das Thema viel zu groß. Es ist ein Menschheitsthema und da kann man nicht einfach den Kopf in den Sand stecken. Und das andere: Auch wenn man als Einzelner nicht viel erreichen kann, man muss ja morgens in den Spiegel kucken können. Und ich muss mir selbst sagen können: du hast das getan, was du tun konntest."
 
 
 
Der morgendliche Blick in den Spiegel.
 
 
Sich selbst tief in die Augen sehen, dem Pfad der Seele folgen, immer weiter, immer tiefer, vorbei an bunten Möglichkeiten, das Gestrüpp der Beliebigkeit durchwandernd, an der Kreuzung mit vier Wegen den fünften wählen - und irgendwann zu einem Punkt kommen, der eindeutig ist.
 
 
Der Punkt, der dich selbst verpflichtet. 
Die Gewissheit, die nicht korrumpierbar ist.
 
 
Wir können uns selbst nicht in die Augen schauen, wenn wir spüren, dass wir falsch handeln, aus falschen Motiven handeln, in falschen Loyalitäten hängenbleiben. Aus Angst, aus Bequemlichkeit, aus Gewohnheit, weil alle das machen.
 
 
Das muss uns niemand sagen.
Das merken wir selbst.
 
Zum Glück.
 
 

Ahoi und herzliche Grüße
Peggy
 
 
 
PS: Ich möchte dir Rainers Blog zur Hymne für die Klimabewegung heute besonders an Herz legen. 

In dieser Ausgabe:

Neues im Blog
# Eine Hymne für die Klimabewegung

WandelBar
# Workshop "Aufbruch ins Altern"

Entdeckt
# Zur Entstehung einer ökologischen Klasse
# Selbstoptimierung
# Das zerbrechliche Paradies
# Flucht und Heimkehr
# Food Impacts

Zu guter Letzt
# Unterschied



Neues im Blog

Rainer: Eine Hymne für die Klimabewegung
Was für eine Koinzidenz, was für eine Freude: Seit Monaten schon treibt mich die Frage um, was wir über all unsere Unterschiede und Konflikte hinweg miteinander singen könnten, um unsere Einheit – und unser aller Einheit mit der Erde – zu feiern. ‚Polykommunion‘ . Da entdecke ich gestern auf der Website von NPR die Nachricht, dass ein sehr diverses Musiker-Trio genau dazu einen Vorschlag gemacht hat. Brandneu und zeitlos!
 


WandelBar

Workshop "Aufbruch ins Altern"
Du spürst es auch: Leben ist Wandel! Ob im Körper, unserem Selbstbild, unseren Beziehungen oder in der Natur: überall Veränderungen, die uns fordern. So auch unser eigenes Altern. Oft wissen wir nicht oder erahnen nur, wohin die Reise ins Alter geht. Woher das Vertrauen nehmen, uns auf das Unbekannte einzulassen, Rollen loszulassen, die nicht mehr passen und Platz zu machen, für etwas, das uns in ein sinnerfülltes Altern führen kann?
 
Wie verleihe ich meinem Leben Sinn?  Auf welche Erfahrungs-Schätze kann ich zurückgreifen? Welche Rolle sehe ich für uns Ältere? Will ich vielleicht in den Hintergrund treten und von dort Entwicklung und Veränderung zum Wohle alles Lebendigen unterstützen? 
 
Der Workshop mit Hildegard und Konrad vom 2.-4. Februar 2024 lädt ein, dich auf die Suche nach deinen ur-eigenen Antworten auf diese Fragen zu machen und deinen eigenen Weg in ein sinnerfülltes Altern zu gestalten. 
 


Entdeckt

# Zur Entstehung einer ökologischen Klasse
Die katastrophalen Folgen unseres Handelns für die Natur sind inzwischen bekannt. Doch die Emissionen steigen weiter. Gegen das Mantra vom wirtschaftlichen Wachstum wirken die Kassandrarufe junger Aktivist*innen oft ohnmächtig. Und während sich im Namen von Freiheit und Gleichheit einst Massen mobilisieren ließen, führt der Klimaschutz zu neuen Spaltungen. Man denke nur an die Gelbwestenproteste in Frankreich.
 
Für Bruno Latour und Nikolaj Schultz ist klar: So wie einst die Arbeiterklasse den sozialen Fortschritt erkämpfte, bedarf es heute einer ökologischen Klasse, um den Klimawandel aufzuhalten. Wo Bewegungen wie Fridays For Future und lokale Organisationen oft getrennt agieren, plädieren die Soziologen für eine Politik, die den Schutz unserer Lebensgrundlagen ins Zentrum gemeinsamer Anstrengungen stellt. Die Geschichte der Menschen, hieß es bei Marx und Engels, sei die Geschichte von Klassenkämpfen. Kommt es nicht zur Entstehung einer ökologischen Klasse, so Latour und Schultz, wird die Menschheit keine Zukunft haben.
>>> zum Buch
# Selbstoptimierung
Die Selbstoptimierungstechnologie boomt. Eine gigantische Industrie lockt ständig mit neuen Apps zur Vermessung des Körpers oder entwickelt Präparate zur Leistungssteigerung des Gehirns. Der Grat zwischen Verbesserungswunsch und Selbstoptimierungsobsession ist schmal. Die Arbeit am "perfekten Menschen" scheint das große Projekt unserer Zeit zu sein. Ist die fortschreitende Selbstoptimierung eine Chance oder bereits Gebot? Welches Menschenbild liegt diesem Optimierungsgedanken zugrunde? Und was hat jeder Einzelne letztendlich davon?
 
Die Filmemacherin Reinhild Dettmer-Finke trifft Menschen, die in Lebensbereichen wie Ernährung, Arbeit und Kindererziehung die aktuellsten Methoden der Selbstoptimierung verinnerlicht haben. Darüber hinaus analysieren die Soziologin Greta Wagner und die Philosophen Tristan Garcia und Konrad Paul Liessmann den Trend der zunehmenden Selbstbeschau.
>>> zur Doku
# Das zerbrechliche Paradies
Die Ausstellung zeigt die Schönheit der Natur und den Einfluss des Menschen auf seine Umwelt. „Das zerbrechliche Paradies“ nimmt dich mit auf eine bildgewaltige Reise durch die bewegte Klimageschichte unserer Erde und zeigt in beeindruckenden, preisgekrönten Fotografien und Videos, wie sich die Tier- und Pflanzenwelt in Zeiten des Anthropozäns verändert ... noch bis 26.11. im Gasometer in Oberhausen.
# Flucht und Heimkehr
Nach vielen Jahren in Spanien kehrt Mamadou in sein Heimatdorf Gandiol im Senegal zurück. Er hat die Idee, dort ein Kulturzentrum zu errichten, um den jungen Leuten im Dorf zu beweisen, dass sie nicht ans andere Ende der Welt reisen müssen, um ihr Eldorado zu finden.

Mit Hilfe seiner spanischen Frau und seiner Mutter muss er sich dem Kulturschock, der Feindseligkeit und der Skepsis der Dorfbewohner stellen, um zu zeigen, was es bedeutet, in einer postkolonialen Gesellschaft zu leben.
>>> zum Film
# Food Impacts
Die Lebensmittelproduktion, so wie sie heute stattfindet, treibt die Zerstörung der Erde mit voran. Das Projekt des WWF will das ändern - mit Informationen zu Umweltauswirkungen verschiedener Lebensmittel, wie etwa CO2-Ausstoß, Biodiversität, Flächen- und Wasserverbrauch, sowie soziale Folgen.
>>> zum Impact


Zu guter Letzt

# Unterschied
"Was du tust, macht einen Unterschied.

Und du musst entscheiden,
welche Art von Unterschied du machen willst." 
 

Jane Goodall


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