Ausgabe Mai 2023

Das feministische Paradox

Der brutale Backlash gegen die Emanzipation

Teilnehmerin einer Demonstration gegen Gewalt gegen Frauen in Brüssel, 27.11.2022 (IMAGO / ZUMA Wire / Ana Fernandez)

Bild: Teilnehmerin einer Demonstration gegen Gewalt gegen Frauen in Brüssel, 27.11.2022 (IMAGO / ZUMA Wire / Ana Fernandez)

Die Haustür ist mit Sicherheitsschlössern übersät. Es würde Minuten dauern, sie alle zu öffnen. Frau F. weiß das. Sie hat immer vor Augen, dass sie nicht einfach das Haus verlassen kann. Sie hat Angst. Die verschlossene Tür existiert nicht nur in ihrem Zuhause, sondern auch in ihrem Kopf. Die Vorrichtungen hat ihr Mann während der Pandemie angebracht. Damit sie nicht noch einmal versucht abzuhauen. Schon lange hält sie die Situation mit ihm nicht mehr aus. Seine Gewalt. Die ständigen Drohungen. Die Kontrolle. Sie will wieder Vollzeit arbeiten, er akzeptiert das nicht. Als sie ihn dazu auffordert, Drogen und Alkohol wenigstens vor den Kindern sein zu lassen und von der Couch aufzustehen, um im Haushalt mitanzupacken, würgt er sie. „Er hat Angst davor, die Kontrolle über seine Frau zu verlieren, seinen Machtanspruch, seinen Besitz“, sagt Asha Hedayati, Anwältin für Familienrecht in Berlin. Regelmäßig twittert sie über Gewalt gegen Frauen. 32 000 Leute folgen ihr dabei. Frau F. ist eine ihrer Mandantinnen – eine Juristin, genau wie Hedayati. Und der gewalttätige Mann, um den es in diesem Fall geht, ist ein angesehener Richter in Köln.

Bei TikTok macht sich Ende 2021 ein unheimlicher Trend breit: Junge Männer, fast noch Jugendliche, posten kurze Videosequenzen von sich selbst. Sie lächeln verschmitzt in die Kamera, im Hintergrund läuft romantische Musik – eine Atmosphäre wie kurz vor einem Date. Dazu sind Statements zu lesen wie „Stell dir vor, wir zwei hätten ein Stranddate und ich würde deinen Kopf so lange unter Wasser halten, bis du einfach stirbst. Lol“. 134 000 Likes. Oder: „Was, wenn wir ein Go Kart Date hätten und ich dich mit meinem Fahrzeug überfahre bis du f*cking tot bist.“ 360 000 Likes. Weitere Tötungsfantasien der Femizid verharmlosenden Challenge beinhalten Bowlingkugeln, Löwen, Haie und Hanteln. Je grausamer und unerwarteter die Fantasie, desto mehr Aufmerksamkeit ziehen die Jugendlichen auf sich. Zuspruch kommt vor allem aus der männlichen Community.

Fast noch Kinder sind auch die Anhänger von Andrew Tate, jenem frauenfeindlichen „Lifecoach“, der im Sommer 2022 von sich reden machte. Er schlägt Kapital daraus, dass männliche Heranwachsende es gerne sehen, wenn jemand provoziert: Frauen sind das Eigentum von Männern, sie können nicht Auto fahren, sie gehören als Hausfrauen ins Haus und tragen eine Mitverantwortung, wenn sie vergewaltigt werden. Es gibt Videos von Tate, in denen er Frauen beim Sex mit einem Gürtel schlägt oder sie dazu auffordert, die blauen Flecke zu zählen, die er ihnen zugefügt hat. Er nennt Frauen „dumme Huren“ und erklärt, wie man am besten mit ihnen umgeht: „Boom ins Gesicht und sie am Nacken packen. Halt’s Maul, Schlampe.“ Was normalerweise in eine obskure Ecke der Mannosphäre gehört, hat Tate auf den gerade von jungen User:innen meistfrequentierten Social-Media-Kanälen salonfähig gemacht. Auf TikTok, Facebook, YouTube, Twitter und Instagram ist er ein Star, der „King of Toxic Masculinity“, mit mehreren Millionen Followern und über 10 Mrd. Views – bis die Plattformen Tates Accounts sperren.

Das sind nur drei Beispiele von unzähligen, die alle dasselbe Phänomen beschreiben. Ein Phänomen, das immer weiter um sich greift: Wir erleben einen Backlash gegen den Aufstieg der Frauen, mit ganz neuen Formen der Gewalt. Von immer mehr Seiten schlägt Frauen Feindschaft entgegen. Eine reaktionäre Gegenbewegung greift sicher geglaubte Frauenrechte in westlichen Demokratien an. Mit dem Ziel, die hart erkämpfte Gleichberechtigung mit Gewalt rückgängig zu machen. Schauplätze: das eigene Zuhause, wo die Gewalt gegen Partnerinnen zunimmt. Das Internet, wo sich der Hass auf Frauen vor den Augen der Öffentlichkeit immer heftiger Bahn bricht. Die Politik, wo misogyne Rhetorik immer eher zum Repertoire von rechten Populisten gehört. Das Gesetz, wo autoritäre Antidemokrat:innen hart erkämpfte Frauenrechte zurückschrauben. Und überall dazwischen.

Die Pulitzer-Preisträgerin Susan Faludi beschrieb schon 1991 in ihrem feministischen Klassiker „Backlash – The Undeclared War Against American Women“, wie ein massiver Rückschlag in den 1980er Jahren feministische Errungenschaften traf und misogyne Mythen über berufstätige Frauen die Öffentlichkeit fluteten. Faludi verortet diesen Backlash in einem fortlaufenden Zyklus aus feministischem Fortschritt und Rückschritt, ein historisches Pendel, das vor und zurück schwingt. Auf Zeiten der reaktionären Feindschaft gegenüber dem Feminismus folgen demzufolge Zeiten weitverbreiteter Akzeptanz, worauf wieder ein Rückschritt folgt und so weiter. Infolge der Kämpfe der frühen Suffragetten Mitte des 19. Jahrhunderts, der feministischen Bewegungen zu Beginn und Mitte des 20. Jahrhunderts und infolge der zweiten feministischen Welle der 1970er Jahre habe es Backlashs gegeben, analysiert Faludi.

Auf den Backlash von heute passt die Metapher der Pendelbewegung aber nicht. Bewegungen und Gegenbewegungen folgen nicht im Wechsel aufeinander, sondern sie laufen eher wie eine Schere auseinander: Frauen sind in immer höheren Machtpositionen vertreten, sie sind als Staatschefinnen tätig und bestimmen die Außenpolitik. Sie sind Influencerinnen auf Twitter, TikTok und Instagram, setzen gesellschaftliche Themen und lenken Debatten. Sie machen Karriere in ehemaligen Männerdomänen und leben sexuell selbstbestimmt, vor den Augen einer riesigen Followerschaft. Und je sichtbarer sie werden, desto mehr Gewalt erfahren sie, weil sie Frauen sind: Partnerschaftsgewalt, Femizide, sexuelle Übergriffe, Stalking, Hetze, Hasskampagnen, völlige Kontrolle über das gesamte Leben – das alles nimmt erschreckende Ausmaße an.

Ein Teufelskreis aus Fortschritt und Backlash

Feministischer Fortschritt und männliche Gewalt wachsen also gemeinsam. Ich nenne es das „feministische Paradox“. Je gleichberechtigter Frauen sind, desto mehr geraten sie unter Druck, desto mehr nehmen Hass und Gewalt gegen sie zu – und nicht ab, wie wir bei fortschreitender Gleichberechtigung eigentlich erwarten würden. Auf der einen Seite wird unsere Gesellschaft immer progressiver, scheinbar unaufhaltsam: Bei Facebook kann man zwischen über sechzig Genderidentitäten wählen, bei Amazon gilt eine strikte Diversity-Quote für Drehbücher, Regie und Besetzungen, in öffentlichen Institutionen ist gendergerechte Sprache mittlerweile ganz normal, im Bundestag sitzen zwei trans Frauen. Auf der anderen Seite erleben wir die krassesten Rückschläge: Das fünfzig Jahre alte Recht auf Abtreibung wird in den USA zurückgenommen, die feministische Regierung in Schweden wird vom rechten Lager abgelöst, die Ärztin Lisa-Marie Kellermayr aus Österreich mit misogyner Hetze unter den Augen der Öffentlichkeit und Polizei in den Tod getrieben. Wir haben lange Zeit nicht gesehen, was passiert und was sich da zusammenbraut, weil es ja auch immer weiter mit dem Fortschritt für Frauen und für andere politische Minderheiten ging. Zu lange hat sich die öffentliche Wahrnehmung nur auf die eine, die erfolgreiche Seite der Schere konzentriert und die andere abgetan, als letztes Zucken des Patriarchats. Wir haben Gleichberechtigung für selbstverständlich gehalten und übersehen, wie viele Bereiche noch einer zutiefst patriarchalen Logik folgen, von der Medizin über die Unternehmensführung bis hin zur Stadtplanung.

Doch hinter den vielen Einzelphänomenen steckt mehr, als wir vermutet haben, sie hängen zusammen, folgen einer Agenda. Mit dem Aufkommen der MeToo-Bewegung ging ein Hintergrundrauschen einher: Jetzt sei es aber doch zu weit gegangen mit dem Feminismus. Merkel war zwar eine extrem beliebte Bundeskanzlerin, gleichzeitig aber auch die meistgehasste. In Finnland, Schweden und Norwegen stellten Frauen die Mehrheit in den Regierungen, weibliche Abgeordnete aber waren gleichzeitig extremem Cybermobbing ausgesetzt, mehr als anderswo in Europa. Während sich also im Mainstream des gesellschaftlichen Diskurses, in der Öffentlichkeit, alles zum Besseren zu wenden schien, wurde im allgemeinen Jubel übersehen, wie sich in politischen Hinterzimmern, in privaten Räumen oder in der Anonymität des Internets eine machtvolle Gegenbewegung formierte.

Die leisen Stimmen, die frühzeitig auf diese Entwicklung aufmerksam machten, haben wir überhört. Oder wir haben sie gehört, aber ihre Erkenntnisse als unwichtige Nebeneffekte abgetan und verdrängt. So kam es zu der verbreiteten Annahme, fehlende Gleichberechtigung finde sich höchstens noch in rückständigen Regionen anderswo auf der Welt, gehöre in unseren westlichen Demokratien der Vergangenheit an. Und wenn es sie doch noch geben sollte, dann höchstens in den niedrigen sozialen Schichten. Weit gefehlt. Wie die Trends auf TikTok zeigen, sind es vor allem junge Männer oder sogar Jugendliche, die Hass, Sexismus und Gewalt gegen Frauen befürworten und weiterverbreiten. Das Patriarchat ist damit nicht Vergangenheit, sondern unsere Zukunft. Es sind die Erwachsenen von morgen, die schon als Heranwachsende extrem frauenverachtende Einstellungen propagieren – und später mit größerer Wahrscheinlichkeit toxische Beziehungen führen werden, in denen sie auch vor Gewalt nicht zurückschrecken.

Die Schlösser an der Haustür der Juristin F. verdeutlichen, dass Gewalt keineswegs nur ein Problem von armen Frauen ist, sondern in der Mitte der Gesellschaft zu finden ist. Akademikerinnen sind neben mittellosen Frauen die andere besonders verletzliche Gruppe. Es trifft sie, wenn sie mit ihrem Partner auf Augenhöhe oder beruflich erfolgreicher sind als er. Während Gewalt in unserer Gesellschaft insgesamt abnimmt, nimmt die Gewalt gegen Frauen kontinuierlich zu. Es gibt immer mehr Männer, die ihre Partnerinnen vergewaltigen, schlagen oder töten, geht aus den Statistiken des Bundeskriminalamts hervor. Vor allem die Pandemie hatte einen Brennglaseffekt auf das Thema „Gewalt gegen Frauen“: Weil die Fälle durch die Lockdowns mit einem Mal deutlich zunahmen und sich 2021 sogar verdoppelten, ist das Problem stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Die Pandemie führte uns also im Zeitraffer vor Augen, was seit zwanzig Jahren der Trend ist: Die Gefahr, in der eigenen Familie oder Partnerschaft Gewalt zu erleben, wird für Frauen immer größer.

Es ist dabei nicht ausschließlich die Anzeigebereitschaft, die zunimmt, wie oftmals suggeriert wird. Das Dunkelfeld wächst gleichermaßen, wie jene bestätigen, die mit gewaltbetroffenen Frauen zu tun haben. Anwält:innen, Psycholog:innen, Sozialarbeiter:innen in Frauenberatungsstellen oder Frauenhäusern kämpfen seit Jahren mit steigenden Zahlen. Alarmierend sind außerdem die Formen der Gewalt, die zunehmen: Es werden immer mehr sexualisierte Gewalttaten, offline und online, verübt. Das zeigt, dass es darum geht, Frauen auf ihren Körper zu reduzieren, sie zu unterwerfen und zurück auf einen untergeordneten gesellschaftlichen Platz zu verweisen.

Was ist der Nährboden für den Backlash, für den massiven Hass auf Frauen und für die steigende Gewalt? Einerseits ist unsere Welt noch zum größten Teil auf Männer zugeschnitten, orientiert sich an männlichen Maßen und Bedürfnissen. Andererseits sind weiße Heterocis-Männer in gesellschaftlichen Debatten nicht mehr die Norm, nach der sich alles richtet, sondern eine Identität unter vielen. Das bedeutet einen großen Verlust von Gewissheiten und von Privilegien. Die Prägung durch die noch immer wirkmächtigen Erzählungen von männlicher Stärke auf der einen Seite und der gleichzeitig real erfahrbare Geltungsverlust von Männern in der Gesellschaft auf der anderen Seite erzeugen eine Schere von Auftrag und Möglichkeiten – eine Mission Impossible, die viele Männer nur noch mit einem Mittel glauben erfüllen zu können: mit Gewalt. Die Körper von Frauen müssen als Blitzableiter für unauflösbare Konflikte, Niederlagen und Kränkungen, für männliche Machtfantasien und Überheblichkeit herhalten. Und es gibt einen Ort, der geradezu symbolisch dafür ist, wie scheinheilig mit dieser alltäglichen Gewalt gegen Frauen umgegangen wird: das Frauenhaus.

Frauenhäuser: Symbol für unseren Umgang mit Gewalt gegen Frauen

In Deutschland eröffnete das erste Frauenhaus im Jahr 1976 in Westberlin. Das Bewusstsein dafür, dass Frauen von patriarchaler, struktureller Gewalt betroffen sind und spezielle Schutzräume brauchen, musste allerdings erst durch die Frauenbewegung erkämpft werden. Mehr als zwanzig Jahre später werden Frauenhäuser gebraucht wie nie: 40 000 Frauen fliehen Mitte der 1990er Jahre jährlich vor ihren gewalttätigen Partnern, wie die Humanistische Union im Grundrechte-Report damals anlässlich des 1997 neu beschlossenen Gesetzes zur Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe herausstellt. Weitere zwanzig Jahre später hat sich die Lage sogar noch zugespitzt: „In mehreren Bundesländern sind seit Wochen keine freien Frauenhausplätze zu bekommen. Betroffene Frauen sind verzweifelt auf der Suche nach einem Schutzplatz. Faktisch herrscht vielerorts Aufnahmestopp“, appellierte die bundesweite Frauenhauskoordinierung 2017 an die Bundestagsfraktionen und die Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz.

In regelmäßigen Abständen erfolgen dieselben Appelle mit den immer gleichen Inhalten, wie hier kurz vor Beginn der Coronapandemie 2020: „Einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einem Frauenhaus gibt es bislang ebenso wenig wie eine einheitliche Finanzierung der Frauenhäuser.“ An der Lage der Frauen scheint sich seit der Entstehung von Frauenhäusern vor fast einem halben Jahrhundert kaum etwas geändert zu haben: Heute fehlen in Deutschland immer noch 15 000 Betten, es gibt in rund 400 Frauenhäusern und 40 Schutzwohnungen etwas mehr als 6000 Plätze. In keinem Bundesland sind Schutzhäuser nicht völlig überlastet. Die Hälfte der Frauen ist unter 32 Jahren alt.

Nicht nur der rechtliche Anspruch, auch die finanzielle Lage ist prekär. Frauenhäuser finanzieren sich überwiegend durch Spenden, Fördergelder, durch Länder und Kommunen als „freiwillige Leistung für den Kulturbereich“ – oder die Frauen zahlen selbst. Gewalt gegen Frauen ist Privatsache, so scheinbar immer noch die Idee. Erst 2021 bewegte sich etwas, weil die dramatisch ansteigenden Gewaltdelikte gegen Frauen während der Pandemie nicht mehr einfach ignoriert werden konnten. Schutzhäuser werden als „systemrelevant“ erkannt. Die Istanbul-Konvention des Europarats zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen, zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre alt und seit 2018 geltendes Recht in Deutschland, soll nun endlich vollständig umgesetzt werden. Das bedeutet: Adäquate Schutzmaßnahmen für Frauen müssen ergriffen und finanziert werden. Denn solange Frauen keinen rechtlichen Anspruch auf Schutz haben, sind sie auf Almosen angewiesen.

Deutschland ist dabei kein Einzelfall, in ganz Europa stehen Schutzorte für Frauen und ihre Kinder auf unsicheren Beinen. Von 46 Ländern erfüllen nur neun die Mindeststandards der Istanbul-Konvention, zum Beispiel, dass pro 10 000 Einwohner:innen zwei Betten bereitstehen müssen, für eine Frau und ihr Kind. Oder dass diejenigen, die das Haus betreiben, sich mit dem Thema „Gewalt gegen Frauen“ auskennen und speziell geschult sein müssen. Belgien, Dänemark, Luxemburg, Malta, Slowenien, Schweden, Norwegen, Liechtenstein und Nordirland erfüllen diesen Mindeststandard, kleine Länder mit kleinen Bevölkerungen. Für den allergrößten Teil Europas mit fast 845 Millionen Menschen gilt der Mindeststandard nicht. Es existieren insgesamt 2100 Frauenhäuser mit knapp 38 000 Betten. Das heißt, es fehlen mehr Plätze, als es Plätze gibt – rund 55 Prozent, wie der Country Report 2021 der Frauenorganisation Women Against Violence Europe offenbart. In Österreich ist es besonders prekär für Frauen, die von Gewalt durch ihre Partner oder Exmänner betroffen sind. Es ist das einzige Land der EU, in dem mehr Frauen als Männer ermordet werden. Für eine Bevölkerung von neun Millionen Menschen gibt es 29 Frauenhäuser. Deshalb soll das zentraleuropäische Land sich jetzt ein Beispiel an anderen Ländern nehmen, wie „Der Standard“ schreibt: an Rumänien, das EU-Hilfen dafür aufwendet, flächendeckend Frauenhäuser, Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen einzuführen. Oder an Finnland, wo eine spezielle Datenbank für Tötungsdelikte Alarmzeichen und Muster von Gewalt besser erkennbar machen soll. Oder an Kroatien, das mit Kampagnen in Schulen Jungen und junge Männer für das Thema sensibilisieren will.

Dass es etwas bringt, wenn Behörden das Thema „Gewalt gegen Frauen“ ernst nehmen und aktiv gegensteuern, zeigt sich in Ländern wie Spanien oder Frankreich. In Spanien ist schon seit 2007 eine Software im Einsatz, die Hochrisikofälle analysiert, also vorhersagt, wie wahrscheinlich Partner in einer Beziehung wiederholt gewalttätig werden. So kann die Polizei schnell mit geeigneten Maßnahmen reagieren. Während in Deutschland über 20 Prozent aller Frauen ab 15 Jahren schon einmal vom Partner sexuell oder anders körperlich misshandelt wurden, sind es in Spanien halb so viele. Psychische Gewalt durch den Partner erlebt in Deutschland jede zweite Frau, in Spanien jede dritte. Dass die Zahlen dort niedriger ausfallen, liegt daran, dass in den letzten 25 Jahren ein System ausgebaut wurde, das Betroffene schützt, ist man sich in Spanien sicher: „Das fängt bei Vorträgen in der Schule an, in denen junge Leute lernen, dass zu einer gesunden Beziehung nicht Kontrolle und Eifersucht gehören, sondern Vertrauen und Respekt. Und ja, auch so mancher Deutsche braucht diesbezüglich Nachhilfe. Spanien hatte längst ein landesweites Hilfetelefon für Opfer häuslicher Gewalt, als die Bundesrepublik 2007 den Entschluss fasste, eines einzurichten. Und schließlich schlüsselt Spanien Mordfälle längst nach Geschlecht und der Beziehung zwischen Täter und Opfer auf, führt akribische Statistiken und veröffentlicht sie regelmäßig. Deutschland hat vor drei Jahren zaghaft damit begonnen.“

Auch das Beispiel Frankreich zeigt, wie schnell Maßnahmen gegen Partnerschaftsgewalt an Frauen Wirkung zeigen. Die Regierung ordnete 2019 an, Anzeigen wegen häuslicher Gewalt direkt nachzuverfolgen. „Anders als vorher, fahren die Polizisten jetzt sofort raus, wenn eine Frau den Notruf wählt. Und meist wird der gewalttätige Partner oder Expartner auch in Gewahrsam genommen“, erläutert Ernestine Rouai die irritierend einfache Strategie. Sie leitet im Pariser Vorort Saint-Denis eine sogenannte Beobachtungsstelle für Gewalt gegen Frauen und kann sich noch daran erinnern, wie Frauen am Notruftelefon „einfach abgewimmelt wurden“. Im Jahr 2020 sank die Zahl der Femizide in Frankreich von 146 auf 90, so wenige wie zuletzt im Jahr 2006, als die Zahl zum ersten Mal erhoben wurde. Zusammen mit elektronischen Hand- und Fußfesseln scheint die konsequente Strafverfolgung durch die Polizei tatsächlich ein wirkungsvolles Mittel zu sein, um Frauenmorde zu verhindern. Französische Aktivist:innen fordern, dass Präsident Macron eine Mrd. Euro statt der derzeit 360 Mio. Euro für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen bereitstellt, zum Beispiel für Frauenhäuser. Die Mittel der Deutschen Bundesregierung für den Schutz von Frauen vor Gewalt beliefen sich laut Deutschem Bundestag 2019 auf sechs Mio. Euro, also sechzig Mal weniger, als Frankreich aufwendet. 2020 waren es 35 Mio. Bis 2022 sollen es 100 Mio. Euro sein – wegen der Istanbul-Konvention. In einem Land, in dem 15 Millionen mehr Menschen leben als in Frankreich.

Im ersten Staatenbericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention, den Deutschland erst 2020 im Europarat einreichte, sind die Ausgaben etwas höher, dafür aber auf Bundes- und Landesebene zusammengerechnet: 33 Mio. im Jahr 2019, 92 Mio. für 2020. Auf der Seite des Berichts vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stößt man unter „weitere Informationen“ als Erstes auf diesen Link: „Aktion gegen Gewalt an Frauen startet in 15 Einkaufszentren“. Hier wird darüber informiert, dass Frauen „künftig in 15 deutschen Einkaufszentren durch Plakatierungen auf Hilfsangebote aufmerksam gemacht“ werden. Das steht exemplarisch dafür, wo sich Deutschland im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen befindet und wie die Politik die Lage einschätzt: Wo lassen sich Frauen erreichen? Im Einkaufszentrum. Die meisten davon sind nicht einmal Supermärkte, sondern Shoppingmalls. Welche Maßnahmen brauchen wir für effektiven Schutz? Plakate, die über Hilfsangebote informieren. Wie viele Einkaufszentren reichen, um alle gewaltbetroffenen Frauen abzudecken? 15, in ganz Deutschland.

Backlash in Skandinavien: Das »Nordische Paradox«

Gerade progressive Demokratien scheinen aktuell einen besonders gravierenden Backlash zu erleben. Bei den skandinavischen Ländern spricht man schon seit einiger Zeit vom „Nordischen Paradox“: Einerseits sind sie Vorreiter bei der Gendergleichstellung, andererseits erfahren Frauen hier mehr häusliche Gewalt, Missbrauch und sexuelle Übergriffe als in anderen Regionen Europas. Dass es nicht nur die höhere Anzeigebereitschaft und eine größere Sensibilisierung sind, welche die Zahlen steigen lassen, sondern autoritäre Ressentiments gegen Frauen und politische Minderheiten viel tiefer sitzen, bestätigen die Wahlergebnisse der Rechten. In einer Studie des Europäischen Parlaments zur digitalen Gewalt gegen Frauen ist Schweden ebenfalls ganz vorne, zusammen mit Finnland, Dänemark, Belgien, Luxemburg und der Slowakei. In diesen Ländern sind Frauen ab 15 Jahren besonders krass von Cyberstalking betroffen. Für Finnland attestiert eine Studie der Nato, dass die fünf Personen der Regierung von Sanna Marin, die am heftigsten mit Hassrede und Missbrauch auf Twitter zu kämpfen haben, allesamt weiblich sind. Die Onlinehetze gegen die finnischen Spitzenpolitikerinnen habe extrem misogyne und bedrohliche Formen angenommen. Der Hass entlädt sich gegen das weiblichste finnische Parlament aller Zeiten. Die Beispiele zeigen: Es kann auch wieder rückwärtsgehen.

Es reicht eben nicht, sich feministisch zu labeln, ohne die tatsächliche Ungleichheit zu beseitigen. Dieses Phänomen beschreibt die Metapher der Spannung: Einerseits ist das Patriarchat von der Idee her überwunden, faktisch aber eben nicht. Wenn der Staat den misogynen Hatern und Gewalttätern nicht den Nährboden entzieht, sondern ihnen einfach das Terrain überlässt, egal ob im Netz, auf der Straße oder zu Hause, dann formieren diese einen gewalttätigen Backlash gegen den verhassten Aufstieg von politischen Minderheiten, allen voran Frauen. Je steiler ihr Aufstieg, je sichtbarer sie werden, besonders in Machtpositionen, desto krasser der Backlash. Wie lässt sich diese Dynamik aus Gleichberechtigung und Gewalt durchbrechen?

Zum einen müssen wir das Patriarchat auch strukturell beenden und männlicher Gewalt repressiv begegnen. Dazu gehört, das Schweigen über Gewalt gegen Frauen zu brechen und die Betroffenen nicht zu beschämen, sondern die Täter. Dafür müssen alle Institutionen, die mit Betroffenen zu tun haben, fortgebildet werden, damit sie Frauen glauben, ihre Gewalterfahrung ernst nehmen und keine Täter-Opfer-Umkehr betreiben, besonders: Familienrichter: innen, Polizeibeamt:innen, Mitarbeiter:innen von Jugendämtern. Gewaltfreiheit muss überall durchgesetzt werden. Dafür müssen Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden online präsent sein. Es darf keine rechtsfreien Räume geben, in denen Gewalt gegen Frauen normalisiert wird. Täter müssen für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen und verurteilt werden. Außerdem muss der Staat die finanzielle Förderung für Frauenhäuser, Beratungsstellen und andere Hilfsangebote dringend ausbauen, zum Beispiel für Therapien nach einer gewaltvollen Beziehung. Besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang auch Hilfsangebote für gewalttätige Männer. Denn viele wollen gar nicht gewalttätig sein, wissen aber nicht, wie sie da rauskommen. Eine Beobachtungsstelle zur Umsetzung der Istanbul-Konvention sollte eingerichtet werden. Und es ist allerhöchste Zeit, präventive Maßnahmen zu ergreifen: vor allem Bildungsangebote in Kitas und Schulen, in denen toxische Männlichkeitsvorstellungen thematisiert werden. Kinder müssen dafür sensibilisiert werden, wie Männlichkeit mit Kontrolle und Gewalt zusammenhängt. Wie diese Verbindungen auch in unserer Kultur, in Fernsehen, Musik, Sport, immer wieder aufgenommen und hergestellt werden. Wir brauchen eine Debatte über Gewalt gegen Frauen und Kinder, über männliche Gewalt und die Folgen für Betroffene sowie unsere Gesellschaft.

Und das alles muss jetzt gleich passieren, um Gewalt gegen Frauen zu beenden. Zum anderen brauchen wir langfristig eine andere, nachhaltige Perspektive: Wir müssen die Kategorien sprengen, auf denen die gesellschaftlichen Strukturen gründen. Momentan geht der Trend jedoch auch in die entgegengesetzte Richtung, wie das Beispiel der skandinavischen Länder vor Augen führt. In der polarisierten gesellschaftlichen Debatte gibt es aktivistische Stimmen, die immer lauter und radikaler werden, um sich entweder gegen rechte Umdeutungen zu wehren oder um eigene partikulare Interessen durchzusetzen. Gegen andere, nicht für alle. Eine konstruktive gesellschaftliche Debatte ist so noch schwieriger als ohnehin schon. Das hat einen negativen Einfluss auf die Art und Weise, wie sich Identitätspolitik weiterentwickelt.

Feministische Identitätspolitik als Brücke

Rechte Ideolog:innen, die Identitäten zementieren und daraus Hierarchien ableiten wollen, bekommen Hilfe von unerwarteter Seite: von Feministinnen, die Identitätspolitik ablehnen, und von Leuten, die Identitätspolitik übers Ziel hinaus treiben. Feministinnen wie Alice Schwarzer und andere aus dem Umfeld der „Emma“ zum Beispiel finden, dass es Quoten für Frauen geben muss. Eine trans Frau wie Tessa Ganserer von den Grünen, die über eine Frauenquote in den Bundestag gekommen ist, sei aber keine „echte“ Frau, sondern eine Art verkleideter Mann, ein Wolf im Schafspelz. Deshalb dürften trans Frauen auch nicht auf Frauentoiletten gehen, weil sie mit ihrer Physis den Safe Space gefährdeten. Abgesehen von den üblen Ressentiments gegenüber trans Menschen, ist das auch feministisch eine hochproblematische Argumentation. Frauen sind demnach grundsätzlich Opfer wegen etwas „spezifisch Weiblichem“, dessen Existenz angenommen wird. Männer sind per definitionem Täter, einfach weil sie männlich sind, biologisch gesprochen. Jede Differenzierung geht hierbei verloren, etwa dass eine männliche Sozialisation im Patriarchat bedeutet, dass mit dem Männlichkeitsideal auch Gewaltbereitschaft verbunden ist, weshalb manche Männer Gewalt ausüben. Andere aber nicht: Sie entscheiden sich dagegen – und leiden oftmals darunter. Bei „Emma“ ist der Penis der Täter und nicht ein Mensch im System Patriarchat. Wir sind, was die Natur aus uns macht. Feministinnen, die eine solche Position vertreten, gehen eine Zweckallianz mit Rechten ein, eine Komplizenschaft, um ihre errungenen Privilegien gegen trans Personen abzuschotten. Das ist brandgefährlich.

Ähnlich verhält es sich, wenn Identitätspolitik in eine radikale Richtung gepusht wird. Damit kommen wir wieder zu biologistischen „echten“ Zuschreibungen von Merkmalen. Dieser Trend zeichnet sich ab, wenn etwa Amazon für Serienproduktionen Richtlinien zur Diversity einführt, nach denen die Identität von Schauspieler:innen mit der Identität der Rolle übereinstimmen muss: „Es sollen nur noch Schauspieler:innen engagiert werden, deren Identität (Geschlecht, Geschlechtsidentität, Nationalität, Ethnizität, sexuelle Orientierung, Behinderung) mit den Figuren, die sie spielen, übereinstimmt.“ Schauspieler:innen müssen „echt“ schwul, trans oder Schwarz sein, um die entsprechende Rolle verkörpern zu dürfen. Das ist das Gegenteil von dem, was das Konzept von Queerness meint, nämlich Uneindeutigkeit und den Umstand, dass Identitätsmerkmale durchlässig und im Prozess begriffen sind. Ein Festschreiben auf Rollen heißt, dass wir uns auf dem Weg zurück zu essenzialistischen Identitäten befinden. Wer bestimmt denn, was eine „echte“ Frau ist, was „echt“ Schwarz oder lesbisch oder trans ist? In dem Moment, in dem wir uns nicht mehr weigern, uns eindeutig festzulegen, sind wir biologistischen Erklärungsmodellen wieder sehr nah. An genau diesem Punkt wird (missverstandene) Identitätspolitik gefährlich: Ein Merkmal wie Schwulsein wird für wesenhaft, für „echt“ gehalten, man kann es irgendwie belegen, ja man muss es sogar. So wie man früher dachte, es wäre angeboren, als biologische Eigenschaft, unabänderlich. Auf diese Weise wird Identität zementiert.

Das Dilemma, dass in einem binären System Frauen zu Frauen gemacht werden, in welchem Männer überlegen sind, wird also nicht nur durch rechte Diskurse und misogyne Gewalt vorangetrieben, sondern auch durch feministische Identitätspolitik und Selbstzuschreibungen. Dadurch trifft Frauen genderspezifische Gewalt, die sie noch stärker in die unterlegene Kategorie „Frau“ einsortiert und Identitätspolitik nötig macht. Deshalb müssen wir die Kategorien sprengen. Oder zumindest ihre politische Bedeutung auflösen. Wir brauchen eine gemeinsame gesellschaftliche Utopie, eine kollektive Vision, einen kleinsten gemeinsamen Nenner, der politische Bedeutung trägt. Damit wir die Kategorien überwinden können, brauchen wir sie aber noch als Brücke. Sonst lassen wir zu viele auf der anderen Seite zurück, statt sie mitzunehmen. Dabei muss viel deutlicher werden, dass es sich um eine Brücke handelt, um ein strategisches Einsetzen von Kategorien, damit wir sie hinter uns lassen können. Identitätspolitik kann nur Mittel zum Zweck sein, niemals Selbstzweck. Die Idee der Brücke, um Unterschiede überbrücken und schließlich loswerden zu können, hat schon das Combahee River Collective um Gründerin Barbara Smith vor fast fünfzig Jahren formuliert. Dieses Kollektiv aus Schwarzen lesbischen Feministinnen prägte nicht nur den Begriff „Identitätspolitik“, sondern vertrat auch das Konzept des „strategischen Essenzialismus“. Es bedeutet, dass Identität – im Fall der Combahee-River-Collective-Aktivistinnen mehrere Identitäten – strategisch eingesetzt wird, um Gleichheit zu erreichen. Danach braucht man sie nicht mehr.

Dieser Gedanke ist in den letzten Jahren etwas verlorengegangen. Wir brauchen heute mehr denn je eine gesellschaftliche Debatte mit Stimmen, die immer wieder differenzieren und darauf hinweisen, dass es sich bei identitätspolitischen Kategorien um eine Leiter handelt, die weggestoßen werden muss, sobald wir hochgeklettert sind – eben um einen strategischen Essenzialismus. Hören wir diese Stimmen nicht, kommt es zu gefährlichen Zuspitzungen, Missverständnissen und Fehlinterpretationen, ausgerechnet von der Seite, die Frauen eigentlich empowern will. Nur durch Differenzierung gelingt es, sich von den gezielten rechten Umdeutungen und Rebiologisierungen abzugrenzen. Nur so lässt sich verhindern, dass wir glauben, Identitäten könnten „echt“ und ein unabänderliches Schicksal sein.

Der Beitrag basiert auf „Backlash – Die neue Gewalt gegen Frauen“, dem jüngsten Buch der Autorin, das soeben im Klett-Cotta-Verlag erschienen ist.

Aktuelle Ausgabe Mai 2024

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